Ein großes Wortschöpfungspotential der deutschen Sprache steckt in der Möglichkeit, zwei oder mehrere Wörter beziehungsweise Wörter mit sinntragenden Spracheinheiten (Morpheme) durch einfache Aneinanderkettung zu einem neuen Wort zu verbinden. Der Fundus an Wortverbindungen im Deutschen ist weit größer als es den Anschein haben mag, denn viele Wörter sind aufgrund von Sinn- und Lautveränderungen kaum mehr als Kompositum zu erkennen. Dazu gehört unter anderem das Wort "Welt", das aus dem Althochdeutschen "weralt" herrührt und eigentlich "Menschenalter" bedeutet. Ein ähnliches Schicksal ist auch dem Maulwurf widerfahren, denn dieser wirft Erde (althochdeutsch "molt") - und er tut das mit seinen Füßen und nicht mit dem Maul. Auch aus Komposita neueren Ursprungs ergeben sich gelegentlich bildhafte, in sich stimmige Konstrukte, die den Sprachschatz bereichern, wie etwa beim "Hubschrauber", der weitaus aussagekräftiger ist als der eingedeutschte "Helikopter". Unübersichtlich wird es jedoch, wenn Wortverbindungen exzessiv betrieben werden wie in "Infrastrukturungleichgewichte" (Wahlprogramm der CDU), "Hochspannungsgleichstromübertrag" (Wahlprogramm der SPD) oder "BürgerInnengemeinschaftsanlagen" (Wahlprogramm der Grünen), wobei sich in letzterem Kompositum zusätzlich noch der Gleichstellungsgedanke verquast findet. Wortverbindungen mit semantischen InkongruenzenKomposita sind jedoch nicht nur anfällig für Wortmonster sondern auch für semantische Inkongruenzen. Unter semantischen Inkongruenzen wird die grammatisch korrekte Zusammenführung inhaltlich nicht zueinander passender Begriffe verstanden, wie beispielsweise in "ich weiß, wo dein Haus wohnt". Gelegentlich findet man in den Medien Komposita mit mitunter ethisch bedenklichen Assoziationen. Zumeist zielen diese auf die geradezu zynische Entpersonalisierung bestimmter Gesellschaftsgruppen, wofür die Liste der Unwörter der vergangenen Jahre zahlreiche Belege liefert. 1991 gab es "ausländerfreie" Gebiete, 1996 die "Rentnerschwemme". Arbeitnehmer waren 1998 "Humankapital", 2009 galten einige Unternehmen als "betriebsratsverseucht" und die "Flüchtlingsbekämpfung" erinnerte wohl nicht zufällig an die Schädlingsbekämpfung. Fraglich ist ebenfalls, was am "Ehrenmord" von 2005 ehrenhaft war und ob Unternehmensmanager ihre Investoren mit der "Gewinnwarnung" von 2001 tatsächlich vor einer bevorstehenden Geldschwemme warnen wollten. | Semantik
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